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16.09.2024

Klimaneutral in 22 Tagen.

Klimaneutral in 22 Tagen.

Etwa 16 Millionen Wohngebäude in Deutschland müssen energetisch saniert werden. Viele davon sind 60 Jahre und älter und etliche Hauseigentümer schrecken vor dem langwierigen Prozedere zurück. Mit seinem „Sanierungssprint“ bewies der Leipziger Bauingenieur Ronald Meyer, dass es auch schnell gehen kann: In nur vier Wochen hat er eine Hamburger Doppelhaushälfte aus dem Jahr 1963 klimaneutral gemacht.

Die Geburtsstunde für das Pilotprojekt „Sanierungssprint“ war der Auftrag, das technische und logistische Konzept für eine Hausrenovierung in nur acht Tagen für die RTLZWEI-Serie „Zuhause im Glück“ zu erstellen. Das war 2005. „Mein Büro entwickelte damals einen minutiösen Bauzeitenplan für diese Turbo-renovierungen und ich war von der Idee fasziniert, diesen Ansatz auf reale energetische Gebäudemodernisierungen zu übertragen“, erzählt Bauingenieur Ronald Meyer in einem Gespräch mit der Newsletterredaktion. Nach langer Planungszeit setzte er den „Sanierungssprint“ im Herbst 2023 erstmals vollständig um. Das Resultat: eine energetische Kernsanierung in nur 22 Arbeitstagen. Wie geht das?

 

„In Schichten arbeiteten bis zu 20 Handwerker aus verschiedenen Gewerken täglich Hand in Hand auf der Musterbaustelle in Hamburg, um das Haus zu dämmen, die komplette Haustechnik und die Bäder zu erneuern und das Dach auszubauen. Die alte Ölheizung wurde durch eine Wärmepumpe plus Photovoltaikanlage ersetzt“, fasst der Bauingenieur, der zwischenzeitlich zwei weitere Häuser nach seinem Erfolgskonzept saniert hat, zusammen. Der Clou dabei besteht in der konsequenten Zeit- und Prozessoptimierung, die Meyer als Sanierungscoach überwacht, und im gemeinsamen Eintakten der Handwerker, die sich vor Ort absprechen können. „Wenn die Teams ihr Pensum erfüllen, ist das eine recht entspannte Geschichte und ein angenehmes Miteinander“, so Meyer.

 

Die schnelle Abstimmung vor Ort erspart allen Beteiligten Ärger, Zeit und Kosten. „Pannenklassiker wie etwa kollidierende Strom- und Wasserleitungen passieren nicht, wenn der Installateur und der Elektriker zeitgleich vor Ort sind“, erklärt der Projektgründer, der derzeit Quartierssanierungen im Raum Stuttgart und in Nordrhein-Westfalen plant.

 

Auch die Handwerksbetriebe erkennen mittlerweile die Vorteile. Sie können insgesamt mehr Baustellen bei gleichem Personaleinsatz bedienen und ihre Leistungen letztlich günstiger anbieten, was wiederum den Bauherren zugutekommt. „Wenn bereits eingespielte Teams zum Einsatz kommen – und das ist gut möglich, denn die Häuser aus den 60er und 70er Jahren sind oft gruppengleich –, könnte die Kostenersparnis 15 bis 20 Prozent betragen“, schätzt Ronald Meyer. „Derzeit befinden wir uns mit rund 2.500 Euro pro Quadratmeter bereits am unteren Rand der normalen Sanierungskosten. Unser Anliegen ist ja nicht nur, möglichst zügig aus einem alten Haus ein modernes Gebäude zu machen, das auch in 30 Jahren noch gut funktioniert“, erklärt er, „wir wollen das Sanieren für den Hauseigentümer auch bezahlbar machen.“

 

Das Hamburger Pilotprojekt jedenfalls machte aus Neueigentümern eines energieverschwenderischen Altbaus Pioniere der Energiewende. Das nach so kurzer Zeit bezugsfertige Haus verbraucht nun 80 Prozent weniger Energie und entspricht dem Standard des KfW-Effizienzhauses 70 EE (Erneuerbare Energien).

 

Meyer sieht in seinem mittlerweile durch eine Studie der Universität Stuttgart in Sachen Effizienz bestätigten Sanierungssprint einen Hebel für die Energiewende: „Unser Konzept hat das Potenzial, die Sanierungsquote, die derzeit nur bei 0,7 Prozent liegt, etwa zu verdreifachen. Doch dazu muss das Beispiel in ganz Deutschland Schule machen und die Baubranche ist – wie so oft bei neuen Dingen – zögerlich.“ Um mit gutem Beispiel vorangehen zu können, hat der Ingenieur selbst ein Bauunternehmen gegründet und zudem gemeinsam mit dem Bundesverband Gebäudemodernisierung e. V. ein neues Berufsbild geschaffen: den Sanierungscoach. (Infos zur Ausbildung gibt es unter akademie@bvgem.de. Parallel bietet der Bundesverband Gebäudemodernisierung e. V. die Fortbildung zum Modernisierungsberater und Modernisierungsmakler an. Weitere Infos unter bvgem.de/events/)

 

„Wir haben Lösungen für große Herausforderungen der heutigen Zeit und unser Konzept ist zur Nachahmung empfohlen!“, lädt Ronald Meyer ein. Er hält das Ziel der Bundesregierung, bis 2045 klimaneutral zu sein, bei gemeinsamer Anstrengung aller Akteure für möglich. „Mit fortschreitender Digitalisierung, Robotik und seriell gefertigten Bauteilen ist eine weitere Steigerung der Modernisierungsquote auf vier Prozent bis 2030 möglich. Es müssen nur alle mitspielen, vor allem die Baubranche sollte produktiver werden.“

 

Eine Doku zum Hamburger Sanierungssprint vom Oktober 2023 ist in der ARD-Mediathek zu finden (ardmediathek.de), Stichwort „Turbosanierung“.

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